Page 22 - OSG - QUALITÄTSREPORT 2018
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WISSENSCHAFT
Wenn wir auf neue Möglichkeiten stoßen,
packen wir die Gelegenheit beim Schopf
Prof. Dr. med. Thomas Neuhann und Prof. Dr. med. Ulrich Kellner sind anerkannte Fachärzte für Augenheilkunde und an Standorten der OSG in München und Siegburg tätig. Im Interview sprechen Sie über Ihren wissenschaft- lichen Anspruch und die Leidenschaft, für jeden Patienten die beste Behandlungsmethode zu finden.
Wie wichtig ist eine wissen- schaftliche Arbeit in der Augenheilkunde?
Neuhann: Sie ist nicht nur in der Augenheilkunde wichtig
– sie ist einfach insgesamt in der medizinischen Arbeit als Arzt bedeutend. Wissenschaft- liche Kriterien anzuwenden, bedeutet abzuwägen, wie gut die eigene tägliche klinische Arbeit mit belastbaren Fakten und Kenntnissen untermauert und begründet ist. Wo be- weiskräftige Antworten nicht verfügbar sind, gilt es, die Fülle an wissenschaftlicher Literatur zumindest in ihren wesentlichen Inhalten zu ken- nen, kritisch auszuwerten und vernünftig zu überprüfen. Kellner: Wissenschaftliches Denken bedeutet in allen Bereichen der Medizin, den Patienten auf der Basis des aktuellen Wissens zu beraten und Therapiemöglichkeiten ge- geneinander abzuwägen; dem Patienten zu sagen, was ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit nützt. Gleichzeitig aber auch zu wissen, in welcher Situation eine Therapieentscheidung nur auf einer begrenzten
Basis der Erkenntnis getroffen werden kann. Bei der altersab- hängigen Makuladegeneration (AMD) hat der wissenschaft- lich begründete Einsatz der Anti-VEGF-Therapie das Erblin- dungsrisiko um mehr als 50 Prozent in den letzten zehn Jahren sinken lassen.
Welchen Stellenwert nimmt die wissenschaftliche Tätig- keit in Ihrem Schaffen ein?
Neuhann: Wir haben in unse- rem Leben all das, was man mit klassischer „wissenschaft- licher Arbeit“ leisten kann, erreicht. Wir haben bewusst den Weg gewählt, weg von wissenschaftlichen Instituti- onen. Unser Erfolg wird am konkreten Heilungserfolg des Patienten gemessen. Denn
wir wollen primär Ärzte sein. Wenn wir in unserer ärztli- chen Tätigkeit auf Ideen und Optionen stoßen, die uns bei konkreten Problemen unse- rer Patienten helfen könnten, werden wir sie natürlich beim Schopf packen: Da wacht der Wissenschaftler in uns auf, der Neuland erschließen und sei- nen Nutzen beweisen will. Da
kommt der Arzt ins Spiel, der immer besser heilen können will. Unsere Patienten schät- zen das, weil sie wissen, dass sie nicht Versuchskaninchen sind, sondern eine extra Chan- ce erhalten, wo sonst keine wäre. Entsteht daraus eine wissenschaftliche Arbeit,  n- den wir das höchst erfreulich. So werden die neuen Möglich- keiten auch für andere Men- schen zugänglich gemacht.
Wir wollen primär Ärzte sein.
Kellner: Ich bin auch nach meiner universitären Tätigkeit unverändert wissenschaftlich tätig geblieben. Das zeigt sich in unserem Schwerpunkt mit einem Zentrum für seltene Netzhauterkrankungen. Hier betreuen wir weit mehr als 2.000 Patienten, vor allem
mit vererbbaren und toxisch bedingten Netzhauterkrankun- gen. Darüber hinaus sind wir als ambulante Zentren her- vorragend geeignet, Erkran-
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